Eigentlich war alles auf Milde und Kompromiss angelegt. Die beiden Landräte Dominic Starkl (Grüne, Stansstad) und Daniel Niederberger (SP, Stans) hatten bereits beim Verfassen des von ihnen eingereichten Postulats Rücksicht auf die Gefühlslage des durchschnittlich in Ökologiefragen wenig sensibilisierten Landrats genommen. Statt mit der Forderung zu kommen, den Klimanotstand auszurufen, verlangten sie nur das Selbstverständliche: Alle Geschäfte seien vor dem Hintergrund des Klimawandels zu durchleuchten und bei Bedarf mit höchster Priorität zu behandeln.

Für solche Töne hatten die Nidwaldner Landräte kein Musikgehör. Sie wollen nicht die von ihnen ausgelösten Entscheide auf die Klimaverträglichkeit hin prüfen. Nicht nur in der Gebäude-Klimapolitik rangiert der Kanton am Ende des WWF-Rankings, wie später in der Debatte Daniel Niederberger (SP, Stans) feststellte. Der Kanton bildet mit der vorweihnachtlichen Landratsentscheidung auch ein Schlusslicht dabei, ein politisches Signal auszusenden, welches die Dringlichkeit klimapolitischen Handelns betonen würde.

Klimanotstand allerorten

Denn andernorts hiess das Wort der Stunde «Klimanotstand». Ausgerufen wurde er im Februar zuerst im rotgrünen Kanton Basel-Stadt. Kurz danach folgten auch bürgerliche Kantone wie Zürich und Bern. Danach ging der Reigen weiter in den Mitte-links dominierten Kantonsparlamenten von Waadt und dem Jura. Überraschend zog auch Nidwaldens Nachbarkanton Luzern mit. Im Kanton Thurgau sagte man dann: Das sei Symbolpolitik. Aber man richtete eine kantonale Koordinationsstelle «Klimawandel» ein, um konkrete Klimaschutzziele zu erarbeiten.

Kaum einer innerhalb der Grünen/SP-Fraktion hatte mit der polemischen Wucht gerechnet, mit der das bürgerliche Lager, vornedran SVP und FDP auf das Postulat reagieren. Armin Odermatt operierte wieder mit dem von der Weltwoche bis zu Trump bekannten Argument: Nicht Menschen, sondern die unabänderliche Natur sei es, die beispielsweise mit Vulkanausbrüchen den CO2-Gehalt in der Atmosphäre erhöhe und damit die Erde zu einem Treibhaus verwandele.

Der «klimamüde» Niklaus Reinhard (FDP, Hergiswil) polemisierte wiederum gegen die verschiedenen Energielabels und sah in dem Anliegen, politische Entscheide auf ihre Nebenwirkungen fürs Klima auf den Prüfstand zu stellen, nur eine bürokratischen Papiertiger Wörtlich: . «Zu jedem Geschäft eine Studie zu machen, ist nur Energieverschwendung für den Aktenschrank.»

Sachlich konterte Sarah Niederberger (SP, Stans) als Fraktionsprecherin, dass nur jene Geschäfte, die nach einem ersten summarischen Prüfblick «klimarelevante Konsequenzen» auswiesen, einer vertieften Überprüfung unterzogen würden. Für diese Projekte sollte dann nach einer klimaverträglichen Lösung gesucht werden.

Die Landräte, die gern und viel rein ökonomisch argumentieren, versuchte Niederberger auch mit wirtschaftlichen Argumenten zu überzeugen. Eine rechtzeitig in Gang gesetzte, effiziente Klimapolitik könnte «künftigen Generationen und auch ihren Grosskinder» Millionen Franken ersparen. Längeres Hinwarten dagegen würde die Kosten nur nach oben treiben.

Politik kann Klima helfen

Ihr Hauptargument war, dass bereits die Vergangenheit lehrt: Erst politische Interventionen wie die Katalysatorenplficht für Autos oder das FCKW-Verbot bei Kühlschränken hätten entscheidende Akzente fürs Klima gesetzt. Die jüngste Landrätin drückte auch ihre Hoffnung aus, dass die Landräte später von ihren Enkeln den Satz hören: «Zum Glück habt ihr damals frühzeitige und weitsichtige Lösungen gefunden!»

Die Klimadiskussion bewegte auch den Naturwissenschaftler und ehemaligen Biologielehrer des Kollegi, Norbert Rohrer. Er erteilte jenen eine Lektion Klimakunde, die die Wirkung des von Menschen in Gang gesetzten fossilen Zeitalters auf das Klima bestreiten. Durchaus verzeichne die Erdgeschichte immer wieder Perioden von CO2-Anstieg, «aber über lange Zeiträume hinweg», erläuterte Rohrer.

Der sprunghaft schnelle Anstieg des CO2, das sei wissenschaftlicher Konsens, sei unbestreitbar Menschen gemacht. Wie die CVP im allgemeinen hat auch Rohrer Sympathie für das Anliegen des Postulats, sieht aber die Regierung schon genug sensibilisiert, um ihr nicht weitere Auflagen machen zu wollen.

Dankbar nahm Delf Bucher das Votum Rohrers auf, dass sich im Landrat doch nicht ein Club von Klimaleugnern zusammen gefunden habe. Die süffisante Polemik von Niklaus Reinhard am Label-Salat von Gebäude-Klimaschutz-Zertifikaten betrachtete er als Steilvorlage: «Im Gegensatz zu der liberalen Idee, alles dem Markt zu überlassen, braucht es die ordnende Hand des Staates.» Dass die Regierung das Postulat nicht aufnehmen will, kritisierte er scharf: «Den Kopf in den Sand strecken, das wäre die mildere Umschreibung dieses Handelns, das treffender mit dem Begriff Ignoranz umschrieben ist. »

Für die Grünen bezog auch nochmals Thomas Wallimann Position. Er ermunterte dazu, die Klimadiskussion in ihrem globalen Zusammenhang zu betrachten. Aus der privilegierten Situation der mit «Luxus gesegneten Schweiz» ergäbe sich auch die Verantwortung, so Wallimann, einen «Beitrag zu leisten, für all jene in der Welt, denen es nicht so gut geht.» Auch kritisierte Wallimann, dass im Landrat das Klimaproblem entweder auf die nächst höhere Etage verschoben würde, also auf den Bund, oder für klimagerechtes Handeln der Einzelne auf der untersten Ebene haftbar gemacht würde.

Für ihn ist es evident, dass viele Politikfelder, die im Landrat behandelt werden – vom Flugplatz bis zur Landwirtschaft – mit der Klimafrage verhängt ist. Am Ende blieb es dabei. Bei wenigen Enthaltungen von Seiten der CVP lehnte der Landrat das Postulat mit 39 zu 14 Stimmen ab.