Der eine Gast kam am Freitag, den 6. Oktober mit dem Schiff von Uri her um halb ein Uhr mittags in Beckenried an. Von dort aus machte er sich auf den Weg. Vermerk in seinem Reisetagebuch „und gingen den Fußpfad nach Stanz.„.
Auf der Wanderung von Beckenried nach Stans macht er viele weitere Beobachtungen, so unter anderem „…Landleute mit Hanf beschäftigt…» Auch der Weg durch die Wilgass vom Ennerberg bis zum Tagesziel findet seinen Niederschlag: «Man kommt durch ein schmales Thal, zwischen eingezäunten Matten, und endlich auf die schöne, völlig ebene Fläche, worauf Stanz, nicht zu nahe von hohen Bergen umgeben, liegt. Wir traten im Gasthof zur Krone ein, welcher der Kirche gegenüber auf einem hübschen Platze liegt.»
Das war Freitag, den 6. Oktober 1797 (das Jahr vor dem Franzosenüberfall) und die Beobachtungen stammen aus dem Tagebuch von Freiherr Johann Wolfgang Goethes dritter Schweizer Reise.

222 Jahre später. Der Zufall wollte, dass es am 19. Juli 2019 wieder ein Freitag war, der Gästen in Stans erneut ein unvergessliches Erlebnis bescherte. Die SDA und die NZZ berichteten so darüber:
«(sda) Wegen eines technischen Defekts steht die Cabrio-Luftseilbahn auf dem Stanserhorn seit dem frühen Freitagabend still. Um 18 Uhr 21 löste das Überwachungssystem der Bahn einen Nothalt aus… Diejenigen Gäste, die sich am Freitagabend noch auf dem Berg befanden, wurden ab 20 Uhr mit Helikoptern evakuiert. Es seien zwischen 150 und 200 Personen, sagte Stanserhorn-Bahn-Direktor Jürg Balsiger auf Anfrage von Keystone-SDA.»

Zwischen 1797 und 2019 hat sich die Welt des Reisens und der Kommunikation dramatisch verändert. Waren im 18. Jahrhundert Reisen noch das Privileg von Begüterten und Adligen und vereinzelte Fremde in Nidwalden ein selten bestauntes Ereignis, so gehören heute Touristen aus der ganzen Schweiz und aller Welt zu den alltäglichen Besuchern in unserem Tal «zwische See und heechä Bärge», wie es Heiri Leuthold in seiner Nidwaldner Hymne betitelt. Natürlich fällt da «Stanz» als dem Hauptort eine besondere Rolle zu.
Die Kommunikation damals? Goethe berichtete seinem Freund Schiller mit Briefen über die Erlebnisse seiner Schweizer Reise. Datiert vom 14. Oktober 1797 traf eines der Schreiben vermutlich erst einige Wochen später bei Schiller in Jena ein. Heute? Praktisch zeitverzugslos dagegen rapportierten viele der 200 betroffenen CabriO Gäste verzückt noch während der blockierten Fahrt, beim Warten und beim Flug mit dem Helikopter via Facebook, Whatsapp und Twitter über den unerwarteten Verlauf ihrer Reise.

Gibt es denn Konstanten? Immer noch übt unser Land «zwische See und heechä Bärge» eine hohe Faszination auf auswärtige Besucher aus. Und immer noch empfinden die meisten, die hier aufgewachsen sind, Stans und Nidwalden als Heimat, auf die wir – wie schon zu Zeiten Goethes – unverändert stolz sind.

Zwar gibt es am Stanser Dorfplatz kein Hotel Krone mehr. Und mittlerweile auch weniger Geschäfte zum Einkaufen. «Schuld» daran ist nicht allein der Wandel im Detailhandel der letzten 20 Jahre. Wer mit Leuten aus der Branche spricht, weiss, dass mit dem «Online-Shopping» noch weitaus dramatischere Herausforderungen auf uns zukommen. Und dennoch: nach wie vor gibt es Frühling bis Herbst auf dem Stanser Dorfplatz jeden Samstagvormittag einen «Wuchemärt». Der Bio-Laden «Spycher» und der Dorfladen «Dorfplatz 9» gehören ebenso fest zum Dorf. Und der kürzlich geschlossene «Giro» am Anfang der Marktgasse öffnet wieder in neuer Form als Geschäft für die Bewohner und Touristen.

Daraus leitet sich aber auch ab, dass wir mit der Spannung zwischen Altem und Neuem zu leben lernen müssen. Dass wir Sorge tragen zur historischen Substanz, aber offen sind für die Herausforderungen, welche der digitale Wandel mit sich bringt.

Conrad Wagner, Landrat Grüne, Stans